Buchrezension "Altes Land" von Dörte Hansen.:
Das Alte Land – Nordeuropas größtes Obstanbaugebiet direkt vor den Toren Hamburgs. Das Land entlang der Elbe wurde vor über 800 Jahren von holländischen Siedlern dem Wasser abgetrotzt und in eine Kulturlandschaft verwandelt. Heute steht das Alte Land für ein Idyll: blühende Obstbäume, traditionelle Fachwerk-Bauernhöfe und Windmühlen, ein Erholungsort für Großstädter und Touristen.
Dörte Hansens Roman aber verzichtet auf Idyll und Romantik. In dieses Alte Land kommt nach dem 2. Weltkrieg das Flüchtlingskind Vera Eckhoff als Fünfjährige mit ihrer Mutter auf der Suche nach einer neuen Bleibe und vielleicht auch einer neuen Heimat. Vera kann bleiben, sogar für immer. Ein Zuhause hat sie, aber keine Heimat. Denn Heimat ist mehr als ein kaltes Haus und Menschen, die einen das Nicht-Dazugehören spüren lassen. Viele Jahre später stehen wieder zwei „Flüchtlinge“ vor der Tür: Veras Nichte Anne mit ihrem kleinen Sohn aus Hamburg. Sie sind heimatlos geworden, weil Träume zerplatzt sind, weil man seinen Platz im Leben nicht finden kann, weil der eigene Mann eine andere liebt, weil…
Heimatlos kann man auf viele Arten werden – das zeigt dieses Buch auf eindrucksvolle Weise. Ein leiser und doch sehr eindringlicher Roman, der vom Verlieren und dem Wunsch zu Finden erzählt, und der die innere Zerrissenheit der Menschen wiederspiegelt, die sich immer wieder die eine Frage stellen: Welcher Weg ist der Richtige? Dörte Hansen wählt eine einfache Sprache, macht nicht viele Worte, wie die Bauern im Alten Land, und die starken Bilder entstehen wie von selbst im Kopf des Lesenden. Ein beeindruckender Roman.